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Krebs als Chance

Jürgen Straubinger

Lukas

Lukas

Lukas war ein zwölfjähriger Junge aus „gutem Haus“. Sein Vater war Arzt...

…seine Mutter Lehrerin. Man könnte meinen er stünde lediglich vor den Herausforderungen eines ganz normalen Teenagers. Aus scheinbar völliger Gesundheit heraus ging es Lukas dann jedoch plötzlich sehr schlecht. Er war blass, fühlte sich schwach in Beinen und Armen und wachte viele Male schweißgebadet am Morgen auf und klagte über Fieber und Schmerzen.

 

Zunächst gingen seine Eltern davon aus, ihr Sohn habe sich einen schlimmen Virus zugezogen und bräuchte lediglich etwas Bettruhe. Doch sein Zustand besserte sich auch nach einer Woche nicht. Eine Untersuchung brachte dann den Anstoß für die folgende Diagnose, die für Lukas und seine Eltern zu ihrer bisher größten gemeinsamen Herausforderung werden würde: Lukas hatte Leukämie.

 

Sein Vater begann so schnell wie möglich in seinem Umfeld nach den richtigen Experten zu suchen. Die Krankheit gehörte zwar nicht in seinen Fachbereich, doch er wusste genug, um mit seinen spezialisierten Kollegen über die Chancen und Risiken der möglichen Behandlungsmethoden ausgiebig zu sprechen und sie auszuwerten. Gemeinsam mit seiner Frau besprach er täglich die Möglichkeiten, bedacht darauf keine Eventualität außer Acht zu lassen. Doch der kräftezehrende Prozess drohte sich auch in die alltäglichen Strukturen der beiden Eltern zu fressen. Es war für Lukas Vater immer schwerer den Alltag in der Praxis aufrecht zu erhalten und auch seine Mutter konnte sich nur noch schwer auf ihre Schüler konzentrieren. Beide rangen um Orientierung in dieser schweren Zeit. Es war seine Mutter, die beschloss, diesen Weg nicht länger ohne weitere Unterstützung gehen zu wollen.

 

Als sie mich anrief, lernte ich eine besorgte liebende Mutter kennen. Sie wollte die absehbare Entwicklung in ihrer Familie aufhalten und für Lukas das bestmögliche Umfeld für ihre Familie schaffen. Immer wieder sprach sie von seinem Potential und seinem Talent. Bei ihren Schilderungen beschlich mich jedoch ein seltsames Gefühl. Lukas Vater war ein Mann mit viel Energie und klaren Vorstellungen. Er haderte zunächst damit meine Dienste in Anspruch zu nehmen und schien es mehr seiner Frau zu Liebe zu tun. Bald darauf lernte ich Lukas persönlich kennen.

 

Bei unserer ersten Begegnung wirkte Lukas recht melancholisch und teilnahmslos. Als ich ihn jedoch fragte ob er sich für Fußball interessierte, nahm er schnell Fahrt auf und erzählte mir viel über den internationalen Fußball und seine Spieler. Fußball begeisterte Lukas sichtlich. Als ich ihn fragte ob er selbst spiele, verneinte er jedoch und es war ihm sichtlich unwohl dabei. Auf die Frage warum er denn nicht spiele, antwortete er: er dürfe nicht. Ich fragte weiter nach und erfuhr, dass Lukas Leben nicht von ihm, sondern einzig und allein von seinen Eltern bestimmt wurde.

 

Sein Vater wollte das er Arzt wird, während seine Mutter seine sonstige Freizeitgestaltung bestimmte. Er hatte Musik zu spielen und im örtlichen Kirchenchor zu singen. Die Freunde, die er für sich gefunden hatte, durfte er nicht treffen, da sie ein schlechter Einfluss für ihn seien. Stattdessen luden seine Eltern oft die Kinder ihrer Arbeitskollegen ein, allerdings auch nicht allzu oft, schließlich musste er sehr viel lernen. Er fürchtete diesen Ansprüchen nicht genügen zu können. Sein Vater hoffte einen noch besseren Mann seines Fachs zu hinterlassen, seine Mutter schien mit ihren pädagogischen Vorstellungen daran fieberhaft mitwirken zu wollen.

 

Beide beklagten nun jedoch das Gefühl, nichts tun zu können, um ihrem Sohn zu helfen. Ich brachte eine andere Anschauung ein und wollte ihnen damit eine neue Perspektive aufzeigen. Geduldig erklärte ich Ihnen, wie der starre Plan dem Lukas folgte, ihm wie ein Gefängnis erscheinen musste. Er würde in dieser schweren Zeit mehr Kraft haben, wenn er sich auf die Zeit nach seiner Behandlung mehr freuen würde und sich in Zukunft mehr entfalten könnte. Ich begleitete die Familie dabei, die Versäumnisse ihrer Vergangenheit aufzuarbeiten und moderierte die ersten Gespräche, um sicher zu gehen, dass Lukas gehört werden würde. Es war schön zu beobachten, wie Vater, Mutter und Kind in dieser Zeit erneut lernten, einander zu verstehen. Lukas genoss fortan u.a. auch das Fußball spielen.

Diese Entwicklung war gut für ihn. Er sprach von sich aus zunehmend lieber mit den Menschen um ihn herum. Allen Befürchtungen zum Trotz besiegte Lukas seine Krankheit und brach damit gleichzeitig aus seinem Gefängnis aus. Endlich konnte er sein Leben selbst gestalten.

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