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Krebs als Chance

Jürgen Straubinger

Karin

Karin

Karin war Geschäftsführerin in einem Handelsunternehmen...

Ihr Vater, selbst erfolgreicher Unternehmer, hatte sie schon früh zur Geschäftsfrau erzogen. Sie hatte viel Zeit ihres Lebens in harte Arbeit investiert und verdiente weitaus mehr als ihr Mann. Durch Karins Einkommen konnten beide einen gehobenen Lebensstil führen. Sie hatten keine Kinder, auch wenn Karin mir sagte, dass sie gerne welche hätte. Nun hatte sie allerdings ihre Diagnose: Gebärmutterhalskrebs.

 

Als Karin meine Klientin wurde merkte ich sofort, dass die Diagnose eine immense Angst in ihr aufgeworfen hatte. Der Wunsch nach einem Kind war in Karin sehr stark, sie war jedoch bereits Ende 30 und ihre Diagnose schien ihr nun ihre letzte Hoffnung nehmen zu wollen.

 

Ich fragte sie warum sie nicht bereits früher ein Kind bekommen hatte. Sie erwiderte, der Zeitpunkt habe sich nie richtig angefühlt. Als Grund nannte sie vor allem die Arbeit und den geringen Lebensstandard für ein Kind, sollte sie Mutter werden und ihr Unternehmerdasein aufgeben. Nun bereute sie diese Entscheidung bitterlich. Sie hatte weniger Angst um ihre persönliche Gesundheit als davor, dass ihr die Entscheidung über eine Mutterschaft nun frühzeitig und vermeintlich abgenommen worden war.

 

Die Situation war wie ich erwartet hatte noch um einiges komplexer. Die Beziehung zu ihrem Mann war seit längerem in einem desolaten Zustand. Karin und ihr Partner lebten mittlerweile in zwei völlig unterschiedlichen Welten mit wenigen Berührungspunkten. Den größten Teil des Tages lebten sie aneinander vorbei und sprachen nur wenig miteinander. Sie hatten viel versucht, doch hatten sie nie einen Weg aus der Krise gefunden und standen bereits seit mehreren Jahren auf der Stelle.

 

Sie war mit ihrem Mann nicht mehr glücklich und wollte sich intuitiv nicht mit einem Kind weiter an ihn binden. Sie gestand mir auch, dass sie seit längerer Zeit eine Affäre mit jemandem aus der Geschäftswelt hatte und aus ihrer Erzählung wurde mir klar, dass sie viel für diesen Mann empfand. Karin hatte durch ihre Erziehung und ihre lange Berufserfahrung einige Schwierigkeiten, die Kontrolle abzugeben und war nun durch die Belastung, welche die Krankheit und ihr schwieriges Beziehungsgeflecht auf sie ausübte, vollkommen überfordert. Ihre Gefühlswelt hatte eine eigene Dynamik entwickelt und sie musste feststellen, dass ihr diese Kontrolle längst abhanden gekommen war.

 

Die Ansprüche ihres Vaters brachten sie oft dazu, sich mit den Männern in ihrem Leben zu vergleichen. Es war für einen Teil ihrer Persönlichkeit einfacher, einen Mann zu haben der ihr in Erfolgsfragen nachstand, jedoch führte dies auch dazu, dass sie hier als Paar mit voneinander getrennten Wertvorstellungen ihr gemeinsames Leben bestritten. Als ich ihr dies vor Augen führte, konnten wir dazu übergehen ihre Wünsche zu ordnen. Sie erkannte für sich, dass sie, um das Leben zu führen welches sie sich wünscht, die stabile Gewohnheit, die sie mit ihrem langjährigen Partner hatte, aufgeben und ihrem Herzen folgen musste.

 

Karin fasste nicht nur den Mut, die Hoffnung auf eine erfüllte Beziehung und ein Kind nicht aufzugeben und ihre Therapie entschlossen in Angriff zu nehmen, sie fand im Anschluss auch den Mut wieder, Entscheidungen für sich zu treffen und aus alten Mustern auszubrechen.

 

Aus ihrer Sicht war die Scheidung eine gute und notwendige Entscheidung. Heute lebt sie in einer harmonischen Beziehung mit ihrem neuen Mann und kann ihrem Wunsch entsprechend, voll und ganz Mutter für ihre kleine gemeinsame Tochter sein.

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