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Krebs als Chance

Jürgen Straubinger

Elke

Elke

Ich lernte Elke als sehr zuvorkommende und freundliche...

…allerdings etwas gestresste junge Mutter kennen. Sie hatte sich früh entschieden Kinder zu bekommen, da sie mit ihrem Mann ein Hotel betrieb, von dessen Einkünften sie gut leben konnten.

Ihr Mann hatte das Hotel von seinen Eltern überschrieben bekommen. Sie war gerne Mutter und genoss die Zeit mit ihren drei Kindern sehr. Vor kurzem jedoch hatten die Ärzte ein malignes Melanom bei Elke entdeckt, welches sich rasch ausbreitete.

 

Ein Handeln war gefragt, doch zunächst zog sie sich öfter zurück. Sie erzählte mir mehr über ihre Situation. Seit sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern eine große Wohnung in der obersten Etage des Hotels bewohnte, hatte für die Familie ein neuer schwieriger Lebensabschnitt begonnen.

 

Offiziell führte ihr Mann nun das Hotel, jedoch hatten seine Eltern das einst errichtete Familienunternehmen nicht wirklich loslassen können, ebenso wenig wie ihre eigenen Privilegien im Haus. Sie hatten keinerlei Respekt vor der Privatsphäre des jungen Paares und machten dabei auch schon mal von ihrem Generalschlüssel Gebrauch, um Sonntagmorgens in ihr Schlafzimmer zu platzen und ihren Sohn anzutreiben.

 

Sie verboten der jungen Familie in den Urlaub zu fahren und mischten sich auch in andere private Lebensbereiche ein. Ganz zu ihrem Ärger traute sich auch ihr Mann nicht, seinen Eltern Paroli zu bieten und ihr in den anfallenden Streitfragen zur Seite zu stehen. Um Konflikte mit ihren Schwiegereltern zu vermeiden arbeitete Elke jedoch sehr viel im Hotel mit und vernachlässigte sich dadurch selbst. Der Stress und der heruntergeschluckte Ärger zugunsten einer oberflächlichen Harmonie forderten bei Elke körperlichen und mentalen Tribut.

 

Auch vor Gästen wahrte sie selten ihre persönlichen Grenzen. So gut wie nie kam sie zur Ruhe und ihre Wahrnehmung hatte sich bereits so weit verschoben, dass sie für einen kurzen Moment sogar ihre Hautkrebserkrankung ignoriert und verdrängt hatte. Der Stress nahm ihr nicht nur die Möglichkeit die für sie wertvolle Zeit mit ihren Kindern zu genießen, sondern auch sich gedanklich mit ihrer Krankheit zu befassen. Ich riet ihr, schnell zu handeln und selbstbewusst den Fokus auf die Behandlung zu setzen und auf ihre Erkrankung aufmerksam zu machen. Auf den Druck und die Grenzüberschreitungen der Schwiegereltern, musste selbstverständlich schnellstmöglich begegnet werden.

 

Das allein jedoch sollte nicht reichen. Auch Gästen gegenüber musste sie eine professionelle Grenze ziehen, um auf der Arbeit nicht einzig und allein von äußeren Erwartungen bestimmt zu werden. Ein weiteres Ziel war, die Scheu vor Konfrontation abzulegen, um in Zukunft die eigenen Bedürfnisse gegenüber denen, von anderen im Blick behalten zu können. Mit dieser neuen Abgrenzung fiel es ihr leichter ein Leben nach ihren Vorstellungen zu führen. Sie genoss ihr glückliches Familienleben, nahm sich Zeit, um mit Freundinnen auszugehen, fuhr mit ihrem Mann und ihren Kindern in den Urlaub und tat öfters ihre persönliche Meinung kund.

Ihre Entwicklung hin zu mehr persönlicher Stärke, ermöglichte es ihr auch selbstbestimmt der Krankheit zu begegnen. Ich erlebte Elke in unserem letzten Gespräch als eine viel selbstbewusstere junge Frau, die mutig und zuversichtlich in die Zukunft blickt, denn ihre Erkrankung ist heute so gut wie symptomfrei.

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